Dienstag, Oktober 03, 2006

RETTET DER HASS AUF DEN ISLAM DEN FEMINISMUS?

Die Krimi-Autorin Thea Dorn hat ein Buch geschrieben, dem zufolge wir einen neuen Feminismus brauchen: Die neue F-Klasse. Warum die Zukunft von Frauen gemacht wird. Isabell Hoffmann hat es für die Literaturbeilage der aktuellen „Zeit“ besprochen. Ein Auszug:

„Die Siebziger sind vorbei. So wie damals wird es nie mehr. Es wird, nach dem Willen von Thea Dorn, noch schlimmer. (...) Thea Dorn hat keinesfalls einfach ein Buch für Frauen über Frauen geschrieben. Sie hat ein Buch über ihren Kiez geschrieben, und in dem entwirft sie eine idealtypische Frauenelite nach ihrem Wunsch. (...) Das wird ein Kampf, und da kein Kampf ohne Feindbilder auskommt, hat sie sich gleich zwei ausgeguckt. Das klassische Patriarchat gibt es ja nicht mehr. Also müssen `der Islam´ und `das deutsche Feuilleton´ herhalten. Über `das deutsche Feuilleton´ ist schon viel geschrieben worden. Und wer genau hinsieht, wird feststellen, dass es vielschichtiger ist, als es den Schirrmachers und Eva Hermans recht sein kann. Der Islam wiederum hat sich in den vergangenen Jahren zum Lieblingsfeind vieler feministisch denkender Frauen entwickelt. Beim Muslim-Bashing sind sich das feministische und das traditionalistische Lager dann wieder einig und gehen wunderbare Allianzen ein, wie ein kürzlich erschienenes Alice-Schwarzer-Interview im Feuilleton der FAZ beweist. (...) Niemand wollte sicherlich ernsthaft verleugnen, dass muslimisch geprägte Länder und Gemeinschaften in Sachen Frauenrechte viel Nachholbedarf haben. Andererseits hat aber noch niemand erklären können, warum es chauvinistisch ist, einer Frau im kurzen Rock das Denkvermögen abzusprechen, es aber nicht chauvinistisch ist, dies bei einer Frau mit Kopftuch zu tun. Zumal sozialwissenschaftliche Studien zu Kopftuchträgerinnen wie die der Adenauer-Stiftung die Erstannahme des ferngesteuerten Simpelchens nicht belegen.“

Was die Allianzen zwischen Rechten und Feministinnen in punkto Muslim-Bashing angeht, liegt Hoffmann mit Sicherheit richtig. Das belegen Blogs wie „politically incorrect“, Markenzeichen: dauerempört über Missetaten von Muslimen sowie die vermeintlich viel zu weichen Reaktionen des Westens und dauerbeleidigt über die ständig neuen Vorwürfe wegen unverhohlenem Rassismus . Wenn in Spanien keine Mohammed-Figuren mehr in die Luft gesprengt werden oder bei „Sabine Christiansen“ ein „Muselmann“ angeblich den anderen Gästen dazwischen redet - bei „politically incorrect“ regt man sich darüber mehrere Tage lang auf. Zu solchen Possierlichkeiten passt es hervorragend, dass dort momentan auch Alice Schwarzer zur Frau der Woche erklärt und gefeiert wird, wie sie das vermutlich lange nicht mehr erlebt hat. Von Henryk Broder, der von den Politically-incorrect-Machern ebenfalls kultisch verehrt wird, im Gegenzug gerne auf deren Blog verlinkt und diese unappetitliche Szene auch anderweitig gerade salonfähig zu machen versucht, lesen wir inzwischen so hübsche Sätze wie: „Es waren Männer, die den Islam brutalisiert haben und es werden Frauen sein, die ihn humanisieren werden.“ Frauen sind offenbar doch die besseren Menschen. Broders Kampfgenossin Cora Stephan führt diesen Gedanken etwas näher aus:

„Es ist zu einem erstaunlich kritiklos eingeführten Topos geworden, dass weit wichtiger als die westlichen Freiheiten die Rücksicht auf womöglich verletzte Gefühle nichtwestlicher Menschen, nein, genauer: Männer sei. Ist das der Sieg weiblichen Einfühlungsvermögens über die kühle Rationalität des westlichen Mannes, der Logik und Gesetz vor Gefühl und Religion stellt? Sieht ganz so aus. (...) In vorauseilender Empathie mit den Beleidigten dieser Erde üben wir Selbstzensur, opfern die Meinungsfreiheit und womöglich noch ganz andere Errungenschaften. Pro domo gesagt: ich fürchte allmählich um die Siege, die die Frauenbewegung hierzulande davongetragen hat - und diesmal wäre nicht das Patriarchat allein am backlash schuld. Sondern all jene, die die verletzten Gefühle der Männer ernster nehmen als die Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der Frauen in patriarchalischen Kulturen, die Selbstbestimmung zu den Dekadenzerscheinungen des Westens zählen. Nicht bärtige Schreihälse verdienen unsere Empathie, sondern die Frauen, die sich gegen die Intoleranz eines religiös gefärbten Patriarchats zur Wehr setzen.“

Es ist alles wieder da wie in den Siebzigern: Das Patriarchat, die bedrohten Frauen, die bösen Männer und die Frauenbewegung als Vorkämpferin der Meinungsfreiheit. Nur ziehen heute Rechte und Linke am selben Strang.

Vor einigen Wochen habe ich in einem meiner anderen Blogs über die Islamhasser-Szene geschrieben: „(G)enüsslich wird (...) jeder einzelne durchgeknallte Muslim (von immerhin 1,2 Milliarden weitgehend komplett unauffälliger Muslime) in entsprechenden Veröffentlichungen zelebriert. Als Männerrechtler fühlt man sich hier an radikale Feministinnen erinnert, welche die Tatsache, dass bisher noch jeder Amokläufer männlich war, als ehernen Beleg für `die natürliche Gewaltbereitschaft des Mannes´ nutzen wollen, wobei ihnen komplett am Arsch vorbeigeht, dass die weit überwiegende Zahl aller Männer ein durchgehend gewaltfreies Leben führt. Vorurteile wollen eben nicht widerlegt, sondern nur bestätigt werden.“

Und tatsächlich wird meine dunkle Ahnung schon wenige Wochen später wahr. Haben Sie bei dem oben hinterlegten Amazon-Link zu Thea Dorns neuem Buch auch die Rezension einer gewissen Helga König gelesen? Zitat: „Thea Dorn schreibt mit diesem Buch gegen die derzeitige frauenfeindliche Bewegung einer rückwärtsgewandten geistig-politischen Männerelite in Deutschland an. Diese unterscheiden sich in ihrem Habitus nur vordergründig von lateinamerikanischen Machos, muslimischen Frauensteinigern und indischen Witwenverbrennern.“ Die „deutsche Männerelite“ und die „muslimischen Frauensteiniger“ - bei den Dorns, Broders, Stephans und Königs ist das offenbar eine einzige Soße. Klar. Warum sich mit Differenzierungsversuchen Kopfschmerzen bereiten, wenn man genausogut in Kollektiven denken kann? Der durchgeknallte islamistische Einzelkämpfer kann eben genausogut für DEN MUSLIM an sich stehen wie für DEN MANN an sich. Gerade Alice Schwarzer bekommt beides wunderbar zusammen.

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