Montag, Juli 20, 2009

Lesermail (Generation Porno)

Genderama-Leser B.K. hat Einwände gegen das auch in diesem Blog verlinkte Interview mit dem Jugendforscher Klaus Hurrelmann:

Ich habe das Interview gelesen. Danke für die Verlinkung. Gleichwohl finde ich grob fahrlässig, was Herr Hurrelmann da vom Stapel lässt. Dazu noch ein paar Gedanken an Sie, da ich hier einen Knackpunkt der gegenwärtigen Geschlechterelends vermute, wo weithin kurzfristige Selbstbezogenheit (teilweise als Gleichheitsideologie getarnt) statt partnerschaftlicher Wertschätzung regiert. Unmittelbare Bedürfnisse aller Art sind eher der Maßstab für Wertungen als die Fragen, was eine Handlung mit dem eigenen und dem Leben anderer Menschen kurz- und vor allem auch langfristig macht.

Es mag sein, dass das Internet nicht so dramatisch das Alter senkt, in dem Jugendliche miteinander das erste mal schlafen. Aber ich habe viele Freunde, die in der Jugendarbeit aktiv sind und über einen sich immer weiter verschlimmernden Umgang von Jugendlichen mit ihrer Sexualität berichten. Vor allem in den "Unterschichten" wird Sex bei beiden Geschlechtern teilweise immer mehr zum Mittel für Anerkennung in der Gruppe. Eine Bekannte (17 Jährige Gymnasiastin), die sich die körperliche Nähe mit einem Jungen/Mann für eine dauerhafte Beziehung aufheben möchte, fühlt sich in der Klasse als Außenseiterin. Gleichzeitig sehnen sich die meisten Jugendlichen nach guten und stabilen Beziehungen in einer Familie, wissen aber gar nicht (mehr?), wie sie die entwickeln und erhalten können.

Stattdessen kennen sie alle Sexarten. Die Befunde der Dokumentation "Generation Porno" vom ZDF (in der Mediathek einsehbar) werden von mir bekannten Sozialarbeitern bestätigt. Es gibt kaum noch Stufen der Zärtlichkeit und Annäherung, gleichwohl viele bittere und absolut unnötige seelische und physische Verletzungen. Teenager-Schwangerschaften bringen immer wieder Jugendliche in elende Situationen. Die gegenwärtige Lage schönzureden, wie es das Interview unternimmt, ist meines Erachtens einfach unverantwortlich.

Wer miteinander schläft, kann Vater und Mutter werden. Es gibt kein Verhütungsmittel mit einem Pearl Index von 0,0. Die Lockerheit vieler Jugendlicher wider besseren Wissens Verhütungsmittel zudem nicht korrekt anzuwenden, vervielfacht zudem die offiziellen PI-Werte. Wer das ignoriert, nimmt viel Unglück billigend in Kauf. Ferner: Die Pille unterbricht bei jungen Mädchen den Zyklus-Reifungsprozess, der aber bis zu 7 Jahre braucht, um sich ganz zu entwickeln - von den unverantwortlichen teilweise irreversiblen Nebenwirkungen für den wachsenden Körper und die weibliche Fruchtbarkeit durch Hormone und jugendliche Promiskuität ganz zu schweigen. Dennoch wird die Pille fast durchgehend auch Teenagern als eine Verhütungsmöglichkeit präsentiert und oft von Frauenärzten verschrieben. Wenn dann die Verhütung nicht funktioniert, ist das Drama groß. Tausende Abtreibungen bei Jugendlichen hinterlassen brutale Narben, wie der von Ihnen verlinkte Artikel über Rebecca Walker u.a. erschütternd und mich sehr berührend gezeigt hat.

Ich kann nicht glauben, wie ein Erziehungswissenschaftler es indirekt für gut heißt, wenn die Jugendlichen DURCHSCHNITTLICH um die 16 Jahre sexuell aktiv werden, selbst wenn das schon einige Jahre so ist. Viele sind demnach auch wesentlich jünger!

Die Forderung der dringend nötigen Versachlichung der Debatte weg von der inkompetenten Internetpanik und die Kritik an der feministischen Instrumentalisierung der Pornokritik, die Sie auf dem Blog immer wieder thematisieren, teile ich ganz. Doch das sollte anders als durch Schönreden des Elends einer teilweise kaputten und unverantwortlichen Beziehungskultur geschehen, dessen Ergebnisse wir später auch bei den „entsorgten Vätern“ bitter spüren.

Ich vermute, dass Sie sicher diese Gedanken und kausalen Verbindungen nicht ganz so teilen, aber wenn ich (als seit 5 Jahren superglücklich verheiratet) die vielen gestörten Beziehungen schon in meiner Generation um die 30 und die vielen zerrütteten Familien sehe, bricht es mir einfach das Herz. Fast immer scheitern die Beziehungen daran, das einer oder beide Partner die eigenen Bedürfnisse über die des anderen stellen und völlig überzogene Erwartungen an eine Partnerschaft haben – letzteres oft die Frauen, die dann auch meist die Scheidung einreichen. Dieser millionenfache Frust gescheiterter Beziehungen ist meines Erachtens die wesentliche Energiequelle der Geschlechterdebatte.

Warum hat das mit der Männerbewegung zu tun? Weil uns Männern doch etwas mehr das Rationale zugeschrieben wird, und unser Beitrag für eine bessere Beziehungskultur allgemein vielleicht sein kann, in diese Hyperemotionalisierung der Beziehungsfrage wieder etwas mehr Vernunft, Weitsicht und Verantwortlichkeit zu bringen. Unsere Söhne und Töchter haben das bitter nötig.

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