Donnerstag, Juni 20, 2013

Harald Martenstein: "Über den Unterschied zwischen Kritik und Beschimpfung"

In seiner aktuellen "Zeit"-Kolumne setzt sich Harald Martenstein mit einer ganz besonderen Klientel auseinander:

Kürzlich habe ich über Genderforschung geschrieben, ein längerer Text. Erwartungsgemäß kamen viele Leserbriefe, erwartungsgemäß waren sie zum Teil zustimmend, zum Teil ablehnend. (...) Leute schreiben oft sinngemäß, der Autor habe keine Ahnung. Die Fakten würden nicht stimmen, das sei alles völlig falsch. Möglicherweise haben diese Leute recht – wer weiß? Aber in ihrem Brief steht leider kein einziges Beispiel. Da steht nicht etwa, Freundchen, in diesem Punkt irren Sie, in jenem Punkt sieht die Faktenlage aber anders aus. Nein, da steht lediglich, sinngemäß, dass der Autor eben ein hirnloser Schwachmat sei und vollkommen ahnungslos.

Wissen Sie, wenn Sie sich die Arbeit machen, einen solchen Brief zu schreiben – es ist sinnlos. Der Journalist, den Sie angreifen, fühlt sich durch Ihren Brief sogar noch bestätigt! Er sagt sich: "Wenn in meinem Text wirklich alles Mögliche falsch wäre, dann wären die Fehler in dem Brief sicher mit Quellenangabe und Hausnummer aufgelistet." Was auch nichts bringt, sind Beschimpfungen. Wenn Sie Autoren beschimpfen, bringen Sie lediglich zum Ausdruck, dass Sie sich geärgert haben. Ob Ihr Ärger sachlich begründet ist, bringen Sie dadurch nicht zum Ausdruck. Wenn Sie jemanden einen Nazi, einen Chauvinisten oder einen Sexisten nennen, dann ist es ganz wichtig, diesen Vorwurf irgendwie zu belegen. Das Gewicht des Vorwurfs befreit Sie nicht von der Aufgabe, den Vorwurf zu begründen. Ich selber würde Ihnen den Gefallen ja gern tun, auf eine Begründung zu verzichten, ich gebe alles zu, aus Nettigkeit, aber was nützt das? Lesen Sie den ärgerlichen Text noch mal in aller Ruhe durch. Holen Sie sich vorher am besten einen Stift und ein Blatt Papier. Notieren Sie, was genau Ihnen faschistisch oder sexistisch vorkommt und warum.


Hier findet man Martensteins vollständigen Artikel.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass es sich hier um kaum überbrückbare, kulturell bedingte Differenzen handelt. In Harald Martensteins Kultur der Rationalität kann man nur mit sachbezogener Kritik überzeugen. In der Welt des Feminismus und der "Genderforschung" reichen Beschimpfungen wie "sexistisch" und "faschistisch" hingegen absolut aus. Das ist nicht nur, aber vor allem in der Auseinandersetzung mit der Männerrechtsbewegung der Fall. Problematisch ist es, wenn sich Journalisten diesem Lager anschließen, statt in Martensteins Lager zu bleiben, wie es eigentlich ihrer journalistischen Aufgabe entspräche.

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