Donnerstag, August 22, 2013

Dokumentation: Junge Union bezieht Position in der Geschlechterdebatte

"Seit geraumer Zeit lese ich deinen Blog sehr aufmerksam", mailt mir heute ein Genderama-Leser, "und freue mich oft über differenzierte, aber endlich auch mal über parteiergreifende Einträge für Männer oder Männerrechte. Heute ist mir ein Antrag der Jungen Union in die Hände gefallen , der sich u.a. auch für Gleichberechtigung stark macht und dabei die Benachteiligung der Jungen auch tangiert und kritisiert. Ich schick dir den einfach mal zu und vielleicht kannst du ja was damit für deinen Blog anfangen. Ich bitte allerdings darum, meinen Namen nicht zu veröffentlichen, weil ich nicht weiß, wie öffentlich diese Anträge sind."

Tja, wer weiß das schon? Jetzt jedenfalls ist der mir zugespielte Antrag "Rechte, Chancen, Wahlfreiheit! Gleichberechtigung in Deutschland im Jahr 2013" öffentlich, der als Beschlussvorlage des Bundesvorstandes der Jungen Union zur Vorlage an den Deutschlandtag vom 15. bis 17. November 2013 in Erfurt gehen soll. Genderama dokumentiert ihn im Volltext:

Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist weltweit noch immer keine Selbstverständlichkeit. Während vor allem in vielen Entwicklungsländern nach wie vor paternalistische Strukturen vorherrschen und Mädchen nicht einmal die Schule besuchen dürfen, bildet die Emanzipation der Frau für die freiheitliche Welt eine der großen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. In Deutschland zählen die Gleichberechtigung und deren staatliche Förderung seit Einführung des Grundgesetzes zu den tragenden Prinzipien der Gesellschaft. Eine erfolgreiche Politik der Gleichberechtigung bedeutet dabei Chancengleichheit und die Überwindung von festen Rollenmodellen, als deren bestes Beispiel die politische Karriere unserer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel angesehen werden kann.

1. Ideologiefreie Politik statt Gender-Wahnsinn

Während die akademische Disziplin der Gender Studies jeglichen sozialen Unterschied zwischen Mann und Frau auf gesellschaftliche Ursachen zurückführen will, erkennt die Junge Union an, dass das Ergebnis von Gleichberechtigung nicht darin liegen kann, die Existenz von Geschlechtern zu leugnen. Die Junge Union lehnt eine krampfhafte "politische Korrektheit" zur Lösung bestehender Probleme ab. Jungen Frauen, die angesichts von Familie und Beruf vor großen Herausforderungen stehen, hilft man nicht mit einem Unterstrich in der Schreibweise, sondern durch handfeste politische Maßnahmen wie den Ausbau des Betreuungsangebotes. Die Junge Union fordert eine Debatte über die Finanzierung der bundesweit mehr als sechzig 26 Lehrstühle für Gender Studies und legt eine sinnvolle Verwendung der Mittel, etwa für die medizinische Forschung, nahe.

2. Wahlfreiheit bei der Familienplanung

Für die Junge Union bedeutet Gleichberechtigung, dass Männer und Frauen die gleichen Möglichkeiten haben, die Vorstellungen ihrer Lebensplanung zu verwirklichen. Die Politik darf sich weder ausdrücklich noch unterschwellig anmaßen, Männern und Frauen Rollenmodelle aufzudrängen. Der in Deutschland verkrampfte Umgang gerade mit den Wünschen junger Frauen, die sich vielfach Bezeichnungen wie "Rabenmutter" oder "Heimchen am Herd" gefallen lassen müssen, sollte einer entspannten Selbstverständlichkeit über die Selbstbestimmtheit einer jeden Lebensplanung weichen.

Zu einem solch ideologiefreien Umgang gehört die optimale Unterstützung junger Familien in ihrer individuellen Situation. Hierzu zählt der von der Union eingeführte Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz, ein Ganztagsschulangebot sowie die Anerkennung der Erziehungsleistung durch Freibeträge, Kindergeld, Rentenansprüche und das Elterngeld. Die Junge Union lehnt es ausdrücklich ab, Menschen mit verschiedenen Lebensentwürfen durch eine Debatte über staatliche Unterstützung gegeneinander auszuspielen.

3. Mehr Frauen in Führungspositionen – ohne gesetzliche Quote

Die deutsche Wirtschaft leidet zunehmend an einem Fachkräftemangel, durch die demographische Entwicklung müssen zudem immer weniger Arbeitnehmer eine wachsende Zahl von Leistungsempfängern versorgen. Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt ist daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Unser Land braucht die Talente beider Geschlechter.

Deutschland zählt laut Statistischem Bundesamt mit einem bereinigten Verdienstabstand von 7% bei der Gleichheit der Gehälter zu den Schlusslichtern in Europa. Die Junge Union spricht sich für einen Anspruch auf gleiche Bezahlung von Männern und Frauen dort aus, wo kein sachliches Kriterium für eine Ungleichbehandlung besteht.

Die Junge Union setzt sich für mehr Frauen in Führungspositionen deutscher Unternehmen ein. Eine gesetzliche Frauenquote ist hierzu jedoch der falsche Weg. Eine Quotenregelung führt zu einer Einstellung nach Geschlecht, nicht nach Leistung und damit zu einer direkten Diskriminierung. Qualifizierten Frauen wird durch das Prädikat "Quotenfrau" zudem ein Bärendienst erwiesen, finden sie unter ihren Kollegen doch deutlich weniger Akzeptanz und Respekt. Die Entscheidung über eine Einstellung muss daher nicht zuletzt im Sinne einer optimalen fachlichen Besetzung auch weiterhin dem Arbeitgeber zustehen. Angesichts der steigenden Zahl von Hochschulabsolventinnen in allen Fächern, den immer besseren Abschlüssen von Frauen und den immer stärker nachgefragten sozialen Kompetenzen werden in den nächsten Jahren auch ohne staatliche Bevormundung immer mehr Frauen ihren Weg in die Führungsetagen der deutschen Wirtschaft finden.

Auch in der Politik dürfen Frauen nicht dem Verdacht ausgesetzt sein, aufgrund ihres Geschlechts, nicht ihrer Leistung, Verantwortung zu übernehmen. Die Junge Union fordert daher ein Ende der Diskriminierung durch Frauenquoten bei Wahlen.

4. Interessen wecken, Chancen schaffen

Gleichberechtigung bedeutet für die Junge Union nicht, jeden Unterschied zwischen den Geschlechtern zu nivellieren. Dennoch muss es Aufgabe vor allem unseres Bildungssystems sein, Jungen und Mädchen die ganze Bandbreite ihrer Möglichkeiten aufzuzeigen. Wo früher etwa das Jurastudium als klassische Männerdomäne galt, beträgt hier der Anteil weiblicher Studenten bereits mehr als 50 Prozent. Wo ein Interesse vorhanden ist, sollten Mädchen beispielsweise verstärkt an den Bereich der MINT-Fächer1 herangeführt werden.

Die Förderung der Chancengleichheit darf nicht dazu führen, dass sich Jungen im heutigen Bildungswesen vermehrt benachteiligt sehen. Es muss darauf geachtet werden, beide Geschlechter ihren Qualifikationen entsprechend zu unterstützen. Bei der Ausbildung von Erziehungs- und Lehrkräften ist durch die Politik ein stärkerer Fokus auf Männer zu legen, die für Heranwachsende als Vorbilder unerlässlich sind. Die Junge Union begrüßt in diesem Zusammenhang die Ergänzung des "Girls‘ Day" um einen "Boys’ Day".


Nachtrag: Zu diesem Text ging inzwischen dieser Leserbrief bei mir ein.

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