Freitag, September 19, 2014

FOCUS: "Hohe Dunkelziffer: Warum den Opfern weiblicher Sextäter niemand glaubt"

Na schau, ein bisschen was bewegt sich auch in deutschen Leitmedien, was die Thematisierung sexueller Gewalt gegen Männer angeht:

Eine Frau missbraucht ihren Partner oder sogar ein Kind. Als Täterin wird sie trotzdem nicht wahrgenommen. In der Gesellschaft existieren Frauen als Täter nach Ansicht von Experten de facto nicht. So gibt es keine offiziellen Zahlen zur Missbräuchen durch Frauen. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.

Dementsprechend warnen Fachleute vor einer Bagatellisierung von Gewalt und sexuellen Übergriffen, die von Frauen ausgehen. Sogar erwachsene Männer können Betroffene häuslicher Gewalt werden, sagt die Sexualwissenschaftlerin Astrid Herrmann-Haase im Interview. Sie arbeitet in Magdeburg als Therapeutin mit jungen Menschen, die zu Sexualtätern wurden. Wissenschaftlich beschäftigt sie sich mit sexuell gewalttätigen Frauen. Im Landesverband Sachsen-Anhalt der Organisation pro familia ist Herrmann-Haase als stellvertretende Vorstandsvorsitzende tätig.


Natürlich ist "sogar erwachsene Männer können Opfer werden" im deutschen Magazin FOCUS noch weit entfernt von "mehr Männer als Frauen werden Opfer sexueller Nötigung" in der US-amerikanischen Zeitschrift TIME. Aber hierzulande muss man sich als Männerrechtler ja auch über kleine Fortschritte freuen. Und ganz ohne feministischen Unfug kommt auch Herrmann-Haase nicht aus:

Männer bestimmen über Sex und dessen Grenzen. Zum Beispiel endet bei heterosexuellem Kontakt der Geschlechtsverkehr immer noch häufig, wenn der Mann einen Orgasmus hat - die Lust der Frau bleibt außen vor und wird übergangen.


Tatsächlich berichtete bereits das 2001 veröffentlichte Fachbuch Sexualmedizin: "Die negative Konnotierung männlicher Sexualität macht diese – mehr oder minder auch in der Selbstwahrnehmung der Männer – zum Problem, wenn nicht gar zur Gefahr. Zusammen mit dem viel stärker gewordenen Anspruch der Frauen auf sexuelle Selbstbestimmung, Initiative und der Bereitschaft, Wünsche und Abneigungen deutlich zu äußern, hat dies viele Männer in eine defensive Haltung geführt und ihr Selbstverständnis nachhaltig gestört." Während Frauen in den letzten Jahren immer mehr dazu ermuntert worden seien, ihre eigenen Bedürfnisse zu benennen und einzufordern, wurde dasselbe Verhalten bei Männern als aggressiv, egoistisch und "böse" abgewertet. Viele Männer übernehmen diese Abwertung bereitwillig für sich. Gerade für jüngere Männer, heißt es in dem erwähnten Fachbuch, seien Frauen zu einer "diffusen Quelle des Unbehagens" geworden, Ungezwungenheit erscheine kaum noch möglich. So zeigte sich in einer Untersuchung des Leipziger Sexualwissenschaftlers Kurt Starke zeigte sich, "dass schon sechzehn- bis siebzehnjährige Jungen im Zusammenhang mit sexuellen Themen von Versagens- und Kompetenzängsten geplagt werden, dass sie die sexuelle Begegnung mit einer Frau weniger herbeisehnen als oftmals geradezu fürchten, und dass sie die sexuelle Lust verlieren bzw. gar nicht entwickeln können … Die Identifizierung männlicher Sexualität als Problem und (potenzielle) Bedrohung macht den Grenzgang, den Identitätswechsel, der für das erotische Erleben so zentral ist, für viele Männer zum Risiko."

Aber in der Phantasie von Pro-familia-Frauen sprechen Männer deshalb nicht über ihre Opfererfahrungen, weil Männer "über Sex und dessen Grenzen" bestimmen. Nach dieser verqueren Lesart geht es Männern, offenbar selbst männlichen Opferns exueller Gewalt, immer noch viel zu gut. Die Ideologie der siebziger Jahre ist einfach nicht totzukriegen.

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