Sonntag, Dezember 21, 2014

"Ich wurde abgetrieben"

Im Jahr 1997 führte Catherine T. Coyle, Psychologin an der Universität von Wisconsin, gemeinsam mit Professor Robert Enright eine Studie unter Männern durch, die sich von der Entscheidung ihrer Partnerinnen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, tief verletzt zeigten. Die Mehrzahl dieser Männer war durchgehend mit dem Entschluss ihrer Partnerinnen nicht einverstanden, tendierten aber zu der in der Rechtsprechung und der öffentlichen Diskussion vorherrschenden Meinung, dass die Entscheidungsmacht hauptsächlich bei den Frauen und nur zu einem geringen Teil bei ihnen selbst lag. Als Folge der Abtreibung stellten sich bei den verhinderten Vätern emotionale Belastungszustände heraus, die von Wut und Hilflosigkeit über Trauer bis zu Schuldgefühlen rangierten. Alle solchermaßen belasteten Teilnehmer dieser Studie hatten ihre Beziehung zu den früheren Partnerinnen mittlerweile aufgelöst, weil sie glaubten, diesen Frauen im Hinblick auf zukünftige Verletzungen nicht weiter vertrauen zu können. Darüber hinaus drückten sie generelle Schwierigkeiten auch im Zusammenhang mit zukünftigen Liebesbeziehungen aus, insbesondere was gegenseitiges Vertrauen anging. Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Entscheidung ihrer Partnerin, was die gemeinsame Nachkommenschaft anging, wurde als starke Belastung erlebt. Selbst diejenigen Männer, die verzweifelt versucht hatten, ihre Partnerinnen von einer Abtreibung abzubringen, machten sich Vorwürfe und hatten stark damit zu kämpfen, sich zu vergeben, weil ihr Zureden letztlich erfolglos geblieben war.

Zum Abschluss ihrer Studie weist Coyle ausdrücklich darauf hin, dass die seelische Belastung von Männern nach einer Abtreibung von der wissenschaftlichen Literatur bislang ausgeklammert und auch in der gesellschaftlichen Diskussion durchgehend ignoriert wurde. Die Debatte über die Legitimität von Abtreibungen wurde bislang immer zwischen den beiden Polen Freiheit der Mutter und Lebensrecht des Kindes gesehen. Die Rechte des Vaters kommen de facto bis heute nicht vor. Von Feministinnen hört man hier dasselbe, was man hört, wenn man als Mann über Erfahrungen mit Sexismus, sexuellen Übergriffen und zig anderen Problemen zu sprechen versucht: "Es geht hier halt mal gerade nicht um euch Kerle ..."

Insofern gibt Coyle auch ihrer Enttäuschung über die Frauenbewegung Ausdruck, die dieses Problem trotz der Proteste vieler betroffener Männer bislang ignoriert hat: "Sie mag als eine Bewegung begonnen haben, der es um Gleichheit ging, aber jetzt geht es ihr um Macht. Männern das Mitspracherecht an der Fortpflanzung zu verweigern, hat mit Gleichberechtigung nichts zu tun." Im Jahr 1999 erschien Coyles Ratgeber Men and Abortion: A Path to Healing.

Danach hörte man wieder so wenig von diesem Thema wie zuvor. Es geht schließlich auch nur um ein Problem, von dem statt Frauen Männer betroffen sind.

Einer dieser Männer berichtet jetzt über seine persönliche Erfahrung bei "Geschlechterallerlei".

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