Mittwoch, Oktober 21, 2015

Vermischtes vom 21. Oktober 2015

Rasante Entwicklung in relativ kurzer Zeit: 2012 wurde Akif Pirincci (seiner eigenen Darstellung nach) von Michael Miersch für das rechtskonservative Blog die "Achse des Guten" gewonnen. Pirincci steigt auf zum Bestsellerautor und Liebling des fremdenfeindlichen Bürgertums. Bei "eigentümlich frei" holt man sich anhand seiner Verkaufszahlen täglich einen runter. Auf Facebook und aus dem rechten Lager der Männerszene schreien Leute kontinuierlich auf mich ein, wie wichtig Pirincci sei und wie dämlich und verkommen ich wäre, weil ich Pirinccis immense Bedeutung für die Zukunft Deutschlands nicht einsehen wolle: "10.000 verkaufte Exemplare pro Tag!!" Einer schreibt mir eine sechs Seiten lange maßregelnde Mail, mit meiner Abneigung gegen "unliebsame Meinungen" verhielte ich mich wie radikale Feministinnen. Pirincci wird von der FPÖ ins Wiener Rathaus eingeladen. Michael Miersch steigt bei der "Achse des Guten" aus, weil ihm die rechten Ressentiments dort zu happig werden. Ein Kommentator bei "Alles Evolution" bepisst sich fast selbst vor Begeisterung über einen Pirincci-Text, in dem es heißt, dass für "die Neger" Sex so etwas wie die Verrichtung der Notdurft wäre. Auf der Jahresveranstaltung der Pegida hält Pirincci eine Rede, die dermaßen unterirdisch ist, dass sich sogar Lutz Bachmann dafür entschuldigen muss, das Internationale Auschwitz-Komittee von einem "widerlichen Signal der Schamlosigkeit" spricht und die Staatsanwaltschaft zu ermitteln beginnt. Die Bertelsmann-Verlage kicken Pirinccis Bücher aus dem Programm und canceln seine Verträge. Pirinccis Webmaster wirft die Brocken hin und erklärt öffentlich, sich für seinen Freund zu schämen. Pirinccis Beiträge verschwinden kurzzeitig von der "Achse des Guten", sind aber am nächsten Morgen wieder online. Auch die letzten Blogs aus der rechten Männerszene halten tapfer die Stellung: "Herr Pirincci, wir können es nicht ändern, die Deutschen wollen vergehen!"

Ach was, vermutlich haben sie nur Angst, von Angela Merkel in Konzentrationslager gesteckt zu werden, sobald sie sich Pirincci anschließen. So zumindest interpretiere ich das, was Pirincci sagen wollte – die andere Interpretation, dass er das Fehlen von KZs für Flüchtlinge gefordert habe, ist offen. Irre ist beides.

Jetzt die spannende Frage: Was lernen wir aus dieser Entwicklung? Einige mit Sicherheit überhaupt nichts. Sie fühlen sich vor allem von einer erdrückenden Zensur verfolgt – und das während der Wortführer des rechten Lagers der AfD in einer der meistgesehenen Talkshows des Landes seine Thesen so lange ausbreiten kann, bis sogar der Chefredakteur der Jungen Freiheit feststellt: "O scheiße, das war kein Punkt für uns."

Andere lernen hoffentlich mehr.

Aber auch die Rechten können unbesorgt sein: Sie hatten Broder, sie hatten Sarrazin, sie hatten Pirincci – der nächste aus dieser bunten Reihe kommt bestimmt. Ich finde es immer wieder faszinierend, wieviele Hinweise solche Leute benötigen um zu erkennen, wie unseriös ein Autor ist. Hängt dieses mangelnde Textverständnis mit einer frappierenden Abneigung in diesem Lager gegen alle "Laberfächer", also Geisteswissenschaften, zusammen?

Genderama wird nach wie vor kritisieren, wenn der Rassismusvorwurf aus heiterem Himmel gegen Menschen wie "Erzählmirnix" und Monika Ebeling eingesetzt wird. Natürlich ist die Männerbewegung hier besonders sensibel, weil einige Ideologen sie selbst als "radikal rechts" verleumden. Eine Radikalfeministin wie Katrin Rönicke nennt Männerrechtler heute noch in einem Atemzug mit Nazis. Aber wir sollten nicht aus einer puren Trotzhaltung heraus echte Rechtsradikale in Schutz nehmen. Wenn jemand von "Moslemmüllhalden" spricht und damit Menschen als Müll darstellt, dann ist das keine Argumentation, sondern Hetze. Und wenn Pirincci Politiker als "Gauleiter" halluziniert, dann sind die rhetorischen Parallelen zu Leuten, die Männerrechtler als Nazis phantasieren, doch eigentlich offensichtlich. Beides ist von politischer Seriosität meilenweit entfernt. Und deshalb werde ich mich weiterhin gegen beides positionieren.

Weitere Nachrichten des Tages:

Alice Schwarzer fordert "Nulltoleranz für frauenfeindliche Flüchtlinge".

In Stuttgart wird mit einer auf Plakaten verbreiteten "gezielten Falschmeldung" (so die Stuttgarter Polizei) über einen angeblichen Vergewaltiger Panikmache betrieben.

Österreichs Medien, etwa das Boulevardblatt Krone und die Kleine Zeitung wirken befremdet bis amüsiert über einen Gender-Sprachleitfaden beim Bundesheer.

Der Gymnasiallehrer Lucas Schoppe zerpflückt das Auftreten von Anhängern der Genderstudien:

"Ich habe viele Feinde, aber das sind alles Arschlöcher!" Wer in einem Vorstellungsgespräch gebeten würde, einmal kurz von sich zu erzählen, dem könnte kaum eine dämlichere Antwort einfallen als diese. Wenn aber Gender-Forscherinnen in überregionalen Medien für ihre Forschung werben, haben sie aus unerfindlichen Gründen den Eindruck, es gäbe zu diesem Satz überhaupt keine vernünftige Alternative.


In Florida wird die erste Notunterkunft für männliche Opfer von Sexhandel gebaut.

Zuletzt: Der international führende Männerrechtler Warren Farrell hielt dieser Tage einen TED-Talk zur Jungenkrise. TED betrachtet sich selbst als Netzwerk für innovative Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden. Dafür konnte man Redner bis hinauf zum früheren US-Präsidenten Bill Clinton gewinnen. Von TED online gestellten Vorträge erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Warren Farrells Auftritt dort ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die lange Zeit wie einbetoniert wirkende Front gegenüber Männerrechtlern zunehmend bröckelt.

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