Mittwoch, Juni 22, 2016

Leserpost: So ernst nimmt Bayern männliche Opfer häuslicher Gewalt

Manche Leserbriefe sind zu umfangreich und zu gründlich recherchiert, als dass ich sie in einem Unterpunkt unter "Vermischtes" untergehen lassen möchte. Dazu gehört der folgende, den ich hier leicht gekürzt und stilistisch minimal überarbeitet wiedergebe:

Hier haben wir mal wieder ein feines Beispiel dafür, wie unwichtig wir Männer für Staat und Politik sind.

Da veröffentlicht das Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration eine schicke Broschüre mit dem Titel: "Blick dahinter – Häusliche Gewalt gegen Frauen"

Dieses 38seitige Werk verwendet acht ganzseitige Bilder, wo Männer in der Pose des Gewalttäters abgebildet und Frauen als geschundene Opfer dargestellt werden. Dazu tritt eine Grafik, die eine Spirale der Gewalt darstellt mit Dialogen wie, "Er kontrolliert mich immer mehr ...", und "Sie hat mich so provoziert, dass mir einfach die Hand ausgerutscht ist." Also klare Botschaft, Mann – Täter, Frau – Opfer.

Diese Broschüre widmet aber tatsächlich auf Seite 20, man glaubt es kaum, da wird doch tatsächlich auf der Hälfte der Seite 20 Gewalt gegen Männer thematisiert. Immerhin, eine halbe Seite von den 38 Seiten.

Wer aber jetzt erwartet, dass hier vielleicht zur Abwechslung mal ein Bild mit einem geschlagenen Mann, oder einer gewaltbereiten Frau zu sehen ist ... Natürlich nicht! Wie denn auch? Wenn schon eine halbe Seite für geschlagene Männer geopfert wird, da kann man nicht noch die andere Seitenhälfte mit so einem Bild verschandeln.

So, was erfahren wir jetzt da auf Seite 20 über Gewalt gegen Männer?

Och, ist alles gar nicht so schlimm! Wenn Frauen Männer gegenüber Gewalt anwenden, tut doch gar nicht weh! Ist doch nur ein bisschen Kratzen oder Stoßen – Meine Güte, Man(n) kann sich aber auch anstellen!


Einschub: Die in der Broschüre aufgestellte Behauptung "Bei allen bisherigen Untersuchungen wird deutlich, dass es sich bei Gewalthandlungen, die durch Beziehungspartnerinnen gegenüber Männern verübt werden, in aller Regel um weniger schwerwiegende Übergriffe (z. B. Stoßen oder Kratzen) handelt." ist auch schlichtweg falsch. Es gibt Untersuchungen, die zu diesem Ergebnis kommen, und andere Untersuchungen, die zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangen. Siehe als Beispiel für letzere etwa die Metastudie Bastian Schwithals. Es ist hochgradig unseriös, sämtliche Studien, die Geschlechterklischees zuwiderlaufen, unter den Teppich zu kehren.

Und wenn wenn es doch mal heftiger gegen einen Mann geht ... das sind Einzelfälle, völlig irrelevant.

Aber, jetzt kommt der Clou … Natürlich muss man häusliche Gewalt gegen Männer ernst nehmen – steht da. Aber weil das Bayerisches Staatsministerium das so ernst nimmt, gibt’s natürlich in dieser Broschüre auch keine Adresse oder Telefonnummer oder irgendeinen Hinweis wohin man sich als männliches Opfer häuslicher Gewalt wenden könnte!? Soviel also zu "Gewalt gegen Männer muss man ernst nehmen."

Dafür gibt’s ab Seite 22 dann Hinweise und Beratung für Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen. Infos, Hinweis auf Notruf-Telefon und die Verlinkung zu: http://www.blick-dahinter.bayern.de/

der führt dann weiter nach: http://www.stmas.bayern.de/familie/beratung/ehefamilie/index.htm

dort muss man aber zu: http://www.stmas.bayern.de//gewaltschutz/index.php gehen.

Da gibt’s dann reichlich Lesestoff über Hilfsangebote und Beratung für Frauen die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Adressen, Telefonnummern für Frauen ohne Ende: http://www.stmas.bayern.de/gewaltschutz/familie/notruf.php#obb

Beratung und Hilfsangebote für Männer die sich in solchen Situationen befinden, sucht man freilich vergebens.

Ah, Beratungsstellen für Täter, die gibt es natürlich. Für männliche Täter versteht sich.

Aber wir geben noch nicht auf, irgendwo muss es doch auch eine Anlaufstelle für männliche Opfer von häuslicher Gewalt geben.

Ahh … hier: http://www.maennerzentrum.de/die-fachstelle/

Deren Leitspruch lautet: Unsere Angebote zielen immer auf die Entwicklung eines positiven männlichen Selbstbewusstseins ab.

Da findet man unter Themen wie:

Anti-Aggressivitäts-Training

Coolness-Training und Coolness-Workshops

Täterprogramm bei Partnerschaftsgewalt

Gruppentherapie mit sexuellen Kindesmisshandlern

hier endlich:

Beratung für Betroffene von Partnerschaftsgewalt

"Im Rahmen des Münchner Unterstützungsmodells gegen häusliche Gewalt (MUM) finden Männer, die Betroffene von Partnerschaftsgewalt geworden sind, Beratung zu Möglichkeiten, sich und ihre Kinder zu schützen. Bei Bedarf und Interesse wenden Sie sich an uns und vereinbaren Sie ein Orientierungsgespräch."

Bei Bedarf und Interesse! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Bei Bedarf und Interesse. Wie war das noch in der Broschüre "Gewalt gegen Männer muss man ernst nehmen?"

Bayern nimmt männliche Opfer von häuslicher Gewalt so ernst, dass man ihnen ein "Orientierungsgespräch" anbietet – in Nachbarschaft von sexuellen Kindesmisshandlern!

Wende ich mich also als von häuslicher Gewalt betroffener Mann an dieses grandiose Männerzentrum, mit einem letzten Funken von Hoffnung, dass ich dort Hilfe bekomme … lande ich hier: http://www.maennerzentrum.de/die-beratung/

Tröööt – so 'ne lange Nase!

"Beratung und Orientierungsgespräch

Wenn Sie Ihr Rollenbild als Mann verändern wollen, Sie eine Möglichkeit zur Selbsterfahrung suchen, es Ihnen nicht leicht fällt, Partnerschaften einzugehen oder aufrechtzuerhalten, Sie sich in Beziehungen überfordert fühlen, Sie von sexuellen Übergriffen betroffen waren oder sind, Sie durch eine Trennungs- oder Scheidungssituation in eine Krise geraten sind, es Ihnen nicht gelingt, Konflikte in Ihrer Partnerschaft konstruktiv zu lösen, Gewalt für Sie ein Thema ist, dann rufen Sie uns an!"

Ja verdammt noch mal, Gewalt ist für mich ein Thema – meine Frau schlägt mich!!

Ähmm, ja dann sind sie wohl nicht in der Lage Konflikte in ihrer Partnerschaft konstruktiv zu lösen! Aber wir bieten ihnen gerne Selbsthilfe- und Selbsterfahrungs-Männergruppen an, für 15,- € für die Beratung und dann für 6,- € je Gruppentherapie: http://www.maennerzentrum.de/die-selbsterfahrung/vermittlung-in-eine-maennergruppe/

Wissen Sie was, Herr Hoffmann, wenn ich so eine Verarschung lese, dann könnte ich mal ganz konstruktiv in den Eimer ... Ich sag es lieber nicht!


Was die desolate Situation für männliche Gewaltopfer und weibliche Täter angeht, verweise ich hier gern noch mal auf mein Interview mit dem Anti-Gewalt-Berater Burkhard Oelemann.

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